Die Muba ist Geschichte - Die Messe als Ort von Innovation und Wandel

Text: Patrick Kury

Während Jahrzehnten hatte die Frühjahresmesse Muba einen festen Platz im Kalender der Stadt. Doch damit ist Schluss. Die Muba fand in diesem Jahr zum 103. und letzten Mal statt. Die Krise im Messewesen besiegelte das Ende gleich mehrerer Traditionsmessen. Anlässlich der Dernière im Februar erinnerten Medien und Messeverantwortliche verschiedentlich an die goldene Epoche der Muba als Konsumgüterschau der fünfziger bis achtziger Jahre. Der Beitrag blickt aber auf einen anderen Aspekt der Mustermesse: auf Innovation und Wandel.

Postkarte der Schweizer Mustermesse vom 23.4.1921. ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, Fel_008874-RE
Postkarte der Schweizer Mustermesse vom 23.4.1921. ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, Fel_008874-RE

Vorerst keine Publikumsmesse

Als Kind der Krise des Ersten Weltkriegs geboren, war die traditionelle Frühjahresmesse ursprünglich als Leistungsschau für schweizerische Technik und Industrieprodukte konzipiert worden. Ausser während der Premiere 1917 war die Messe denn auch lange eine Händlermesse, die nur am Wochenende für ein breites Publikum geöffnet war. Erst im Verlaufe des Zweiten Weltkriegs, als die Mustermesse den Status einer jährlich wiederkehrenden "Landi" erlangte und ihren Beitrag zur Stärkung der "Geistigen Landesverteidigung" der Schweiz leisten sollte, stand die Messe täglich einem breiten Publikum offen. Seit Anbeginn jedoch war sie eine Plattform für neueste Kommunikationstechnologien und -formen.

Sondernummer: Mustermesse Basel vom 9.4.1943 138 (Quelle: Cinémathèque suisse und Schweizerisches Bundesarchiv, J2.143#1996/386#138#1*)

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Labor neuer Kommunikationsformen

Bereits anlässlich der ersten Messe 1917 verstanden es die Organisatoren, mit Plakaten von hoher künstlerischer Qualität, mit einem Pressetag, mit der Präsenz des Bundespräsidenten und eines Gastkantons neue Akzente im damaligen Marketing zu setzen. Dazu gehörte die pionierhafte Zusammenarbeit mit dem Service public lange bevor es diese Bezeichnung gab. Im Jahr 1922 etwa stellte die Obertelegraphendirektion eine erste automatische Telefonzentrale an der Mustermesse aus und die Bundesbahnen präsentierten Modelle ihrer neuen elektrischen Lokomotiven. Früh schon kooperierten SBB und Messe bei Vergünstigungen für Fahrten und Messeeintritte und beschritten punkto Zusammenarbeit völliges Neuland. Von 1923 bis 1926 experimentierten Radiopioniere an der Mustermesse mit der Ausstrahlung von Versuchssendungen direkt aus den Hallen. Diese ersten Radiosendungen aus der Nordwestschweiz wurden vom damaligen Messedirektor Wilhelm Meile gefördert. Die Zusammenarbeit zwischen Radiopionieren und Messemachern erwies sich als zukunftsweisend, denn Wilhelm Meile und der Physiker und Radiotechniker Hans Zickendraht waren auch die Hauptinitianten bei der Gründung der Radiogenossenschaft Basel und Meile deren erster Präsident. Das Radio wie später das Fernsehen nutzten die Mustermesse als öffentliche Plattform und die Mustermesse avancierte ihrerseits zu einem Darling der Schweizer Film-Wochenschau. Diese produzierten zwischen 1940 und 1975 wöchentlich Informationssendungen in deutsch, französisch und italienisch, die im Vorprogramm der Kinos gezeigt wurden und eine Frühform der heutigen Tagesschau bilden.

Muba Basel, 1968. ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Baumann, Heinz / Com_C17-010-001-011
Muba Basel, 1968. ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Baumann, Heinz / Com_C17-010-001-011

Hand in Hand mit dem Service public

Ab den Sechzigerjahren verlief die Präsentation des Service public als ton- und bildgebender Unterhalter an der Messe in völlig neuen Dimensionen. Radio und Fernsehen waren seit 1966 im Neubau Rosental mit zwei eigenen Ausstellungsstudios präsent und die Besucher konnten dort den Radio- und Fernsehmachern bei der Arbeit zuschauen. Mit zahlreichen Sendungen aus der und über die Muba bewarben Fernsehen und Radio die Messe, wie die Messe zur Popularität der öffentlich-rechtlichen Medien beitrug. Die Mustermesse ihrerseits stellte ihre Räumlichkeiten zur Verfügung, beispielsweise ab 1962 für das Schulfernsehen der Eurovision.

Schweizer Mustermesse, Schweizer Fernsehen und Schweizer Radio wirkten so wechselseitig identitätsstiftend in einer Zeit als Konsum und Medien an Bedeutung gewannen, während ältere Leitbilder wie Armee und Kirche an Geltung verloren. Diese ausgeprägte Win-win-Situation zwischen den Öffentlich-rechtlichen und der Messe hielt erstaunlich lange bis ins 21. Jahrhundert an. Doch mit dem rasch sinkenden Publikumsinteresse schwand auch das Interesse der Medien an der Muba.

Mustermesse Basel, 1978. ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Comet Photo AG (Zürich) / Com_LC1271-016
Mustermesse Basel, 1978. ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Comet Photo AG (Zürich) / Com_LC1271-016

Strukturwandel im Messewesen

Auf die verstärkte Internationalisierung der Wirtschaft in den fünfziger Jahren hatte die Mustermesse mit der Durchführung internationaler Fachmessen reagiert. So konnte, wie dies die meisten Aussteller wünschten, die traditionelle Mustermesse als nationale Schau beibehalten und zugleich über Sondermessen eine internationale Öffnung erreicht werden.  

Unter den zahlreichen Fachmessen, welche die Messegesellschaft seit den Fünfzigerjahren aus der Taufe gehoben und in ihren Hallen beherbergt hat, nimmt die Internationale Textilmaschinen-Ausstellung von 1967 eine herausragende Stellung ein. Diese Messe, kurz ITMA genannt, war eine eindrucksvolle Technikschau, eine eigentliche Demonstration industrieller Potenz. Sie wurde alle vier Jahre vom Comité Européen des Constructeurs de Machines Textiles (Cematex) an einem wechselnden Standort durchgeführt. Im Herbst 1967 kam über 800 Aussteller von Textilmaschinen nach Basel.

Besonders imposant waren ihre Platzansprüche und das Gewicht der Ausstellungsgüter. Maschinen mit einem Gesamtgewicht von nicht weniger als neuntausend Tonnen wurden auf das Messegelände verfrachtet, was etwa dem Gewicht des Eifelturms entspricht. Bereits drei Monate vor Messebeginn mussten die Fundamente und Sockel für die Maschinen und Maschinenbestandteile bereitgestellt sein. Dazu wurden die Böden verstärkt und teilweise gestützt. Die Maschinen liefen während der Messe alternierend und einer ausgeklügelten Orchestrierung folgend, denn die Schwingungen eines zeitgleichen Betriebs aller Maschinen hätten die Messegebäude zum Einsturz gebracht.

MUBA, 1954. ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Comet Photo AG (Zürich) / Com_M03-0115-0001
MUBA, 1954. ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Comet Photo AG (Zürich) / Com_M03-0115-0001
Stand der Escher Wyss an der MUBA, 1954.  ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Comet Photo AG (Zürich) / Com_M03-0115-0005
Stand der Escher Wyss an der MUBA, 1954. ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Comet Photo AG (Zürich) / Com_M03-0115-0005

Abgesang auf die die Textilindustrie in der alten Welt

In Basel präsentierte sich die Textilmaschinenindustrie nochmals in voller Blüte, und die Messe verbuchte einen grossen Erfolg. Mit dem Ende des klassischen Industriezeitalters der westlichen Welt im ersten Drittel der Siebzigerjahre setzte bald der rasante Niedergang der europäischen Textilmaschinenindustrie ein. Ein Blick auf die Herkunft der Besucher der ITMA von 1967 deutet an, wohin sich dieser für Europa einst so bedeutende Industriezweig verlagern sollte: Viele von ihnen kamen aus Indien, Ostasien, Afrika und Südamerika. Die Messeverantwortlichen und Behördenvertreter bedauerten sehr, dass es sich bei der ITMA um eine einmalige Angelegenheit gehandelt hatte. Einmal mehr hatte die Messe auf einen Strukturwandel zu reagieren.

MUBA gestern - MUBA heute vom 22.04.1966 138 (Quelle: Cinémathèque suisse und Schweizerisches Bundesarchiv, J2.143#1996/386#1210-1#1*)

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Autor

Prof. Dr. Patrick Kury ist Co-Leiter von Stadt.Geschichte.Basel und  Titularprofessor an der Universität Luzern. 

Quellen

Patrick Kury, Esther Baur (Hg.). Im Takt der Zeit: von der Schweizer Mustermesse zur MCH Group. Basel 2016.

MCH Group und Mustermesse. 2016 als Jahr runder Jubiläen. Ausgabe: 2016
18 Seiten
Autor/in: Patrick Kury
Herausgeberin: Christoph Merian Stiftung

Sondernummer: Mustermesse Basel vom 9.4.1943 138 (Schweizerisches Bundesarchiv, J2.143#1996/386#138#1*)

MUBA gestern - MUBA heute vom 22.04.1966 138 (Schweizerisches Bundesarchiv, J2.143#1996/386#1210-1#1*)

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Staatsarchiv  Basel-Stadt:

-Bildbestand der Schweizer Mustermesse PA 1189b (1916 - 2001)

-Hans Bertolf Basel BSL 1013 

Die ETH Bibliothek verfügt über grosse Bestände von Fotoagenturen, etwa der Comet Photo AG, die über die MUBA berichtet haben.