Wahrscheinlich steckt im Daig ein Wortspiel. Einerseits spielt das Wort auf die Dalbe an, wo das Grossbürgertum noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts residierte. Kurz darauf flüchtete es vor der proletarisierten Innenstadt in das Gellert-Quartier, wo die Luft frischer war, nicht von der qualmenden Seidenband-Industrie verunreinigt. Andererseits dürfte Daig schlicht "Teig" bedeuten: Die so Bezeichneten kleben zusammen und bleiben zum eigenen Wohl unter sich. Laut dem "Idiotikon", dem Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache, taucht das Wort in dieser Bedeutung erstmals zu Beginn des 20. Jahrhunderts in volkstümlichen Schriften auf: "Sie isch halt wirglig nit ganz vom Daig" – sie war wohl nur angeheiratet. Auch das Wörterbuch des Baseldeutschen geht davon aus, dass Daig Teig bedeute, sowohl in humoristischem als auch abwertendem Sinn.
Ab 1900 bröckelt die kulturelle Vormacht des einstigen Patriziats. Seine konservativen Vertreter wenden sich angewidert von all dem Neuen ab, das ihren geliebten Kleinstadtkosmos bedroht, von der "Moderne", von Technik, Demokratie und Massenkultur. In diesem Moment kommt der Spitzname Daig in Umlauf: Spöttisch benennen die nicht-patrizischen Baslerinnen und Basler ein Milieu, das mit seinen altertümlichen Umgangsformen zunehmend die Welt von gestern repräsentiert.
Zugleich drückt das Dialektwort Zuneigung aus: Der Spitzname ist auch ein Kosewort. Irgendwie scheinen die Basler stolz auf ihre einstigen Herren zu sein und sich mit deren Distinktionsgebaren zu identifizieren. Die Besonderheiten des Daig machen fast alle Basler besonders. Nicht umsonst haben sie sich so lange von ihm regieren lassen. Der elitäre, reaktionäre Burckhardt wurde zum Stadtheiligen der Mittelschichten.