In Gottes Namen – die Missionarsgattin Catharina Gollmer Schmidt (1817-1842)

Text: Kevin Heiniger

Im August 1841 verabschiedet sich Catharina Gollmer-Schmidt von ihrer Familie in Basel. Wenig später verlässt sie mit ihrem Mann, einem frisch ordinierten Missionar, ihre Heimatstadt für immer. Sechs Monate später ist sie tot – im fernen Sierra Leone vom "Klimafieber" dahingerafft.

Die Basler Mission als Heiratsvermittlerin

Über Catharina Schmidts Leben ist nicht viel bekannt. Ein Porträt von ihr gibt es nicht. Sie wurde als zweites von sechs Kindern in eine mittelständische Basler Kaufmannsfamilie geboren. Der Vater Johann Jakob Schmidt war Tuchhändler, die Familie vor seiner Geburt aus dem Kanton Zürich zugewandert. Die Mutter Helena Schmidt-Lotz entstammte einer alteingesessenen Handwerkerfamilie.

Ein Schicksalsschlag für die Familie war sicherlich der Verlust des Vaters und Gatten. Dieser kämpfte am folgenreichen 3. August 1833 auf baselstädtischer Seite gegen die Landschäftler und verlor dabei sein Leben. Catharina Schmidt war damals 16 Jahre alt, der jüngste Bruder sechs. Die bescheidene finanzielle Entschädigung dürfte die Lebenshaltungskosten der Familie kaum gedeckt haben. Aus diesem Grund wohl wurde die Familie aufgelöst: 1834 befanden sich drei Kinder im Waisenhaus, zwei bei Verwandten und nur eines bei der Mutter. Catharina Schmidt kam wahrscheinlich zu Verwandten, da sie nicht mehr schulpflichtig war.

Missionsstation Regent, Sierra Leone, 1850
Abb. 1: Station der Basler Mission in Regent, Sierra Leone, mit Missionshaus und Kirche, 1850.

Einige Jahre später treffen wir sie am Wohnort der Mutter an, nämlich beim Schmalen Steg in der Steinen, direkt am damals noch offenen Birsig. – Keine besonders privilegierte Gegend. Catharina Schmidt war 24 Jahre alt, als man im Umfeld der Basler Mission auf sie aufmerksam wird, als mögliche Gattin von Carl Andreas Gollmer. Dieser war 1835 in das Seminar der Basler Mission eingetreten. Nun, kurz vor seiner Entsendung nach Sierra Leone, verspürte er den Wunsch sich zu verehelichen. So wurde die Ehe zwischen Katharina Schmidt und Carl Andreas Gollmer angebahnt und bereits am 19. August 1841 läuteten in Basel die Hochzeitsglocken.

Ein Ticket in die Ferne

Diese Art der Heiratsvermittlung durch die Basler Mission war kein Einzelfall – von 1837 bis 1914 kamen rund 300 Ehen auf diese Weise zustande. Das Basler Komitee erliess 1837 eine Heiratsordnung, schliesslich galt es zu verhindern, dass die Missionare zu Heiratszwecken vorzeitig ihre Stellen verliessen. Ausserdem war diesen die Ehe mit einheimischen Frauen untersagt. Die unliebsame Aussicht auf eine zölibatäre Lebenssituation auf Jahre hinaus dürfte Gollmers Anreiz zur Eheschliessung gewesen sein.

Für Katharina Schmidt wiederum bot die Ehe mit einem Missionar die Möglichkeit, der heimatlichen Enge zu entfliehen, zu reisen und fremde Weltgegenden kennenzulernen. Diese Erfahrungen wären ihr als Frau, ob verheiratet oder nicht, im 19. Jahrhundert mit hoher Wahrscheinlichkeit verwehrt geblieben. Für die kleinbürgerliche Halbwaise stellte die Missionarsehe zudem einen gesellschaftlichen Aufstieg dar, da die Missionsarbeit nicht nur in pietistischen Kreisen ein gewisses Ansehen hatte. Am Bestimmungsort wiederum konnte sie aktiv mitwirken: Missionsfrauen wurden nicht allein in Haushalt und Familie gebraucht, in vielen Fällen wurde ihnen etwa die Leitung von Mädchenschulen übertragen. Katharina Schmidts Wahl fiel also auf ein neues, aktives und – unwägbares Leben.

Porträtzeichnung Carl Andreas Gollmer
Porträtzeichnung Carl Andreas Gollmer, 1840 (© Archiv der Basler Mission).

Tod in der Fremde

Gut zwei Monate nach der Hochzeit schifften sich die Eheleute Gollmer-Schmidt im englischen Gravesend ein mit dem Ziel Sierra Leone. Der westafrikanische Staat hatte damals den Status einer britischen Kronkolonie und bot den evangelischen Missionen ein frühes Betätigungsfeld. Aus dem pietistisch geprägten Württemberg rekrutierten sich damals besonders viele Missionare. Das Zusammenspiel von württembergischem Personal, internationalen Missionsgesellschaften und Westafrika als Einsatzort war um 1840 etabliert und erprobt. Dennoch barg eine solche Mission erhebliche Risiken, denn auf dem Schwarzen Kontinent war die Sterblichkeit unter den europäischen Immigranten hoch.

Dieses Schicksal ereilte auch die frisch gebackene Missionarsgattin Gollmer-Schmidt. Sie erlag am 11. Februar 1842 dem "Klimafieber", vielleicht dem heutigen Denguefieber. In den postum publizierten Aufzeichnungen von Missionar Gollmer heisst es, seine sterbende Frau habe ihm versichert, die Afrikamission nie bereut zu haben. Er solle dies ihrer Familie und ihren Freunden ausrichten.

Die einzige Quelle von der Hand der Frühverstorbenen ist die Abschrift ihrer "Abschiedsworte", die sie im August 1841 an ihre Familie in Basel richtet. Die Zeilen weisen eine gewisse Todesahnung auf oder belegen zumindest, dass Katharina Gollmer-Schmidt mit den schlimmsten Szenarien rechnete. Sie nennt die "Meereswellen", die ihr "ein frühes Grab, ja grausenvollen Tod" bereiten könnten. Und fast schon prophetisch "auch gift’ge schwüle Düfte / in jenem Todesgarten, Afrika. / Wie sie schon vielen gruben frühe Grüfte, / die betten auch [mich] früh in’s Grab." Eine solche Fügung wollte sie aber durchaus nicht als tragisch verstanden wissen. Vielmehr sollten die Hinterbliebenen in diesem Fall durch Gott getröstet werden: "Welch schönes Loos / Beschied’ ich Ihr in meinem Arm u. Schooss!", so die im Gottesglauben ruhende Hoffnung der Scheidenden.

Johann Arnd: Vom wahren Christenthum, mit Widmung auf Vorsatz.
Abb. 3: Johann Arnd: Vom wahren Christenthum, 1847, mit Widmung auf Vorsatz (© Kevin Heiniger).

Eine persönliche Widmung

Witwer Gollmer kehrte 1849 während eines Urlaubs für kurze Zeit nach Basel zurück und überreichte bei dieser Gelegenheit seiner "l[ieben] th[euren] Schwiegermutter" Schmidt-Lotz ein Erbauungsbuch mit handschriftlicher Widmung – dies vielleicht ein letzter Gruss an die Verstorbene und ein Zeichen dafür, dass ihre Verbindung mehr war als ein Arrangement.

Das Schicksal der Missionarsgattin steht trotz seiner Exotik und Einzigartigkeit symbolhaft für das pietistisch geprägte Bürgertum im "Frommen Basel" des 19. Jahrhunderts und für die Möglichkeiten und Grenzen, die in diesem sozialen Gefüge wirksam waren. Missionar Gollmer selbst war bis 1862 in Westafrika tätig und siedelte dann mit seiner dritten Frau nach England über, wo er 1886 starb.

Quellen

Literatur

Christ-von Wedel, Christine; Kuhn, Thomas K. (Hg.): Basler Mission. Menschen, Geschichte, Perspektiven 1815-2015. Basel 2015.

Konrad, Dagmar: Missionsbräute. Pietistinnen des 19. Jahrhunderts in der Basler Mission. 4. bearbeitete Auflage. Münster 2013.

Schweizer, Peter A.: Mission an der Goldküste. Geschichte und Fotografie der Basler Mission im kolonialen Ghana. Basel 2002.

Staehelin, Ernst: Die Christentumsgesellschaft in der Zeit von der Erweckung bis zur Gegenwart. Basel 1974.

Publizierte Quellen

Der evangelische Heidenbote (4/1842), S. 29-32.

Gollmer, Charles Henry Vidal (Ed.): Charles Andrew Gollmer. His Life and Missionary Labours in West Africa. London 1889.

Nicht publizierte Quellen

Mission 21, Basel, Forschungsarchiv (BMA): BV 201. Gollmer, Karl Andreas (1812-1886).

Staatsarchiv Basel-Stadt, Trennungsacten T 1, Entschädigungen & Pensionen an Verwundete & an Hinterlassene von Gefallenen. Allgemeins, 1831-1841-1886.

Staatsarchiv Graubünden, B/N 0176: Abschiedsbrief der Catharina Gollmer aus Basel an ihre Mutter und Geschwister beim Scheiden von der Heimat nach Sierra Leone.

Abb. 1.: Church Missionary House and Church: Regent, Sierra Leone. London, Richard Bentley, 1850: Wikipedia [31.03.2021].

Abb. 2: Porträtzeichnung Carl Andreas Gollmer: Archiv der Basler Mission, BMA QS-30.001.0154.01.

Abb. 3: Johann Arnd: Vom wahren Christenthum. Schaffhausen 1847, mit Widmung auf Vorsatz: Privatbesitz Kevin Heiniger, Foto: Kevin Heiniger.

Autor

Kevin Heiniger studierte Geschichte und Germanistik in Basel und Berlin. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der Schweizer Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, den er aktuell an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW vertieft. Gollmers Erbauungsbuch gelangte als Familienerbstück in seine Hände.

50 Jahre Frauenstimmrecht

Das Stickeralbum "Starke Frauen in der Basler Geschichte"
Das Stickeralbum "Starke Frauen in der Basler Geschichte".

Am 7. Februar 1971 erhielten die Schweizer Frauen das Stimmrecht auf nationaler Ebene. Zum Jubiläum veröffentlicht Stadt.Geschichte.Basel die Beitragsreihe "Starke Frauen in der Basler Geschichte". Wir berichten von Frauen, die wahrscheinlich wenige kennen, die aber ihre Spuren in der Stadtgeschichte hinterlassen haben: in Archiven, in Bibliotheken, auf Bildern, in Erzählungen, mit ihren Werken und ihrem Wirken, von der Antike bis in die Gegenwart. Weitere Porträts gibt es im gleichnamigen Stickeralbum, das Stadt.Geschichte.Basel zusammen mit dem Staatsarchiv Basel-Stadt veröffentlicht hat.