Nundina und Urbana – die ältesten namentlich bekannten Baslerinnen

Text: Peter-Andrew Schwarz

Die ältesten namentlich bekannten Baslerinnen sind Römerinnen! Überliefert sind ihre Namen - loincatia Nundina und Urbana Iulia - auf zwei Grabsteinen, die im Jahr 1861 "hinter dem Basler Münster" gefunden wurden. Heute sind die beiden Grabinschriften in der Archäologischen Informationsstelle im Schulhaus zur Mücke (Schlüsselberg 14) ausgestellt.

Nundina und Urbana

Ob loincatia Nundina und Urbana Iulia aber einst tatsächlich in Basel gelebt haben, bleibt ungewiss. Die beiden Grabsteine, auf denen sich ihre Namen finden, wurden nämlich im späten 3. Jh. n. Chr. von ihrem ursprünglichen Standort entfernt und in die Wehrmauer des spätrömischen castrum auf dem Münsterhügel eingebaut. Folglich bleibt offen, ob Nundina und Urbana – so lauteten ihre Rufnamen – in der kleinen römischen Siedlung im Vorfeld des Münsterhügels gelebt haben, oder in der knapp 15 km rheinaufwärts gelegenen Koloniestadt Augusta Raurica.

Nicht ganz deckungsgleich ist auch der Kontext, dem wir die Nennung der beiden Frauen verdanken. Urbina tritt auf der Grabinschrift ihres Vaters, eines freigelassenen Sklaven namens Gajus Julius Fecundus, als eigenständige Akteurin auf: Sie hat nämlich "aus dankbarer Kindesliebe" und wohl auch als einziges noch lebendes Familienmitglied dafür gesorgt, dass das Grab ihres Vaters mit einem hohen Grabstein aus weissem Kalkstein gekennzeichnet wurde.

Abb. 1: Der Wortlaut der Grabinschrift lautet sinngemäss: Urbana Julia, die Tochter des Freigelassenen Gajus Julius Fecundus, hat dafür gesorgt, dass das Grab ihres Vaters mit einem Grabstein gekennzeichnet wurde (© Gerold Walser).

Porträt mit Palla

Die Grabinschrift der Nundina ist hingegen wesentlich knapper gehalten: Festgehalten wurde lediglich, dass der Grabstein – wie in der Römerzeit üblich – zu Ehren der Totengeister (dis manibus) aufgestellt wurde. Wer den Grabstein aufstellen liess, welche Rolle Nundina zu ihren Lebzeiten gespielt hat, und wie alt sie wurde, geht aus der Grabinschrift nicht hervor.

Wesentlich aufschlussreicher als die Inschrift ist der Grabstein selber. In der Giebelzone findet sich nämlich eine Büste der verstorbenen Nundina. Diese ist aber – wohl im Zusammenhang mit der bereits erwähnten Wiederverwendung des Grabsteins als Baumaterial – bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Vom Gesicht sind allenfalls noch zwei Haarsträhnen an der linken Kopfseite erkennbar. Etwas besser erhalten sind Schultern und Achseln. Sie zeigen, dass Nundina nicht nur eine Tunika, sondern offensichtlich auch einen Mantel (palla) trug. Die palla, das weibliche Gegenstück zum pallium, dem Männer-Mantel, trugen die Römerinnen in der Öffentlichkeit über den anderen Kleidern.

Einfasst wird die Büste mit dem Portrait der Nundina von einer halbrunden Nische, einer sogenannten Konche. Es dürfte sich um die stilisierte Darstellung einer Herzmuschel (cardium) handeln, deren Rippen in den Sandstein eingekerbt worden sind. Die muschelförmige Ausgestaltung der Nische erfolgte wohl kaum zufällig: In Form von Herzmuscheln ausgestaltete Konchen finden sich auf römischen Grabsteinen immer wieder, sind hierzulande aber selten. Deswegen darf man vermuten, dass Nundina wohl einer sozial besser gestellten Bevölkerungsschicht angehörte. Die Ausgestaltung der Giebelpartie liefert auch einen Hinweis auf die Datierung. Nundina dürfte im späteren 1. Jh. n. Chr. verstorben sein, also zu einer Zeit, in der sich der "roman way of life" in unserer Gegend bereits durchgesetzt hatte.

Abb. 2: Der Wortlaut der Grabinschrift lautet sinngemäss: Zu Ehren der Totengeister der loincatia Nundina (© Gerold Walser).
Infostelle Schulhaus zur Mücke
Abb. 3: Ausgestellt sind die beiden Grabinschriften in der Archäologischen Informationsstelle im Schulhaus zur Mücke am Schlüsselberg 14 (© Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt).

Markfrau oder Zeremonienmeisterin?

Vielsagend ist auch der nicht ganz einfach auszusprechende Name der Verstorbenen. Der Familienname (loincatia) ist möglicherweise keltischen Ursprungs, der Ruf- oder Spitzname (Nundina) hingegen sicher römisch bzw. lateinisch. Abgeleitet ist dieser entweder von den nundinae, den römischen Markttagen, oder von Nundina, der Göttin der Namensgebung und Lustration. Mit diesem Begriff wurden in der Römerzeit religiöse Reinigungszeremonien bezeichnet, die nach "unreinen" Anlässen, wie etwa nach einem Blutvergiessen, nach der Berührung von Toten oder nach einer Geburt durchgeführt werden mussten. Bei neugeborenen Mädchen erfolgte die lustratio am achten Tag nach der Geburt, bei Knaben am neunten Tag. Welcher Tätigkeit Nundina ihren Rufnamen verdankt, verrät uns die Grabinschrift leider nicht. Die Tatsache, dass das Grab der Nundina mit einem überaus sorgfältig ausgestalteten Grabstein gekennzeichnet wurde, zeigt aber, dass sie zu Lebzeiten sicherlich ein gewisses Ansehen genoss. Sei es aufgrund ihrer sakralen Tätigkeit bei Geburt und Tod oder aufgrund ihres wirtschaftlichen Erfolgs als Marktfrau bzw. Kauffrau.

Abschliessend ist festzuhalten, dass loincatia Nundina und Urbana Iulia nach Aussage der beiden Grabinschriften in gewissem Masse bzw. fallweise auch eigenständig agieren konnten. Das heisst aber keinesfalls, dass die römischen Frauen den Männern gleichgestellt waren. Verwehrt war ihnen nicht zuletzt auch das vor 50 Jahren eingeführte und heute selbstverständliche "Frauenstimmrecht".

Quellen

C. Neukom, CSIR Schweiz I,7 = Antiqua 34 (Basel 2002), 110 Nr. N 9 (loincatia Nundina).

G. Walser, Röm. Inschriften in der Schweiz 1979/80, Nr. 220 (loincatia Nundina) und 221 (Urbana Iulia).

Abb. 1-2: Foto: Gerold Walser.

Abb. 3: Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt, Foto: Philippe Saurbeck.

Autor

Peter-A. Schwarz ist Inhaber der vom Kanton Aargau finanzierten Vindonissa-Professur für provinzialrömische Archäologie und derzeitiger Vorsteher des Departements Altertumswissenschaften an der Universität Basel. Er ist Mitherausgeber der Bände 1 und 2 der neuen Basler Stadtgeschichte.

50 Jahre Frauenstimmrecht

Das Stickeralbum "Starke Frauen in der Basler Geschichte"
Das Stickeralbum "Starke Frauen in der Basler Geschichte".

Am 7. Februar 1971 erhielten die Schweizer Frauen das Stimmrecht auf nationaler Ebene. Zum Jubiläum veröffentlicht Stadt.Geschichte.Basel die Beitragsreihe "Starke Frauen in der Basler Geschichte". Wir berichten von Frauen, die wahrscheinlich wenige kennen, die aber ihre Spuren in der Stadtgeschichte hinterlassen haben: in Archiven, in Bibliotheken, auf Bildern, in Erzählungen, mit ihren Werken und ihrem Wirken, von der Antike bis in die Gegenwart. Weitere Porträts gibt es im gleichnamigen Stickeralbum, das Stadt.Geschichte.Basel zusammen mit dem Staatsarchiv Basel-Stadt veröffentlicht hat.