Krach ums Kloster Klingental - Nonnen kämpfen für ihre Selbstbestimmung

Text: Luzia Knobel und Luana Seitzinger-Pergher

Verfall von Disziplin und Sitten – so lautete ein Vorwurf gegen die Frauen im Kleinbasler Kloster Klingental. Mitte des 15. Jahrhunderts hatten sich in ganz Europa schon viele Klöster einer Reform unterzogen. Für geistliche Frauen bedeutete das vor allem strenge Klausur und Verzicht auf persönlichen Besitz. Die Kleinbasler Nonnen wollten sich der strengeren Regeltreue nicht fügen, denn ihre Selbstbestimmung stand auf dem Spiel. Mit ihrem Widerstand versetzten sie Basel jahrelang in Unruhe. Doch wie mächtig waren die Frauen damals wirklich?

Kleinbasler Nonnen als Unruhestifter

Das Kloster Klingental zählte im 15. Jahrhundert zu den reichsten Konventen der Stadt. Kurz nach der Gründung im 13. Jahrhundert wurde es dem Predigerorden angegliedert. Die Frauen, die zum grossen Teil aus der städtischen und ländlichen Aristokratie stammten, brachten beim Klostereintritt Güter und Einkünfte mit. Auch Stiftungen und Schenkungen für das Seelenheil mehrten den Reichtum des Klosters. Klingental wurde durch diese Praktiken zum Raum für Repräsentation und bezeugte das Prestige der Stifter.

Kloster Klingental Merianplan
Abb. 1: Die Klingentaler Klosterfrauen genossen den Schutz der Stadtmauer und das Basler Bürgerrecht. Das Klosterareal wurde damals grosszügig rund um den Kreuzgang erweitert. Heute sind nur noch die ältesten Konventsgebäude am Rheinufer erhalten. Detail aus dem Merian Plan von 1615 (© Denkmalpflege Basel-Stadt).

Mitte des 15. Jahrhunderts hatten sich in ganz Europa schon viele Klöster einer Reform unterzogen. Für geistliche Frauen bedeutete das vor allem strenge Klausur und Verzicht auf persönlichen Besitz. Demnach durften die Frauen das Kloster unter keinen Umständen verlassen und mussten all ihr Hab und Gut abgeben. Die Kleinbasler Nonnen wollten sich der strengeren Regeltreue nicht fügen, denn ihre Selbstbestimmung stand auf dem Spiel. Ihnen wurde Verfall von Disziplin und Sitten vorgeworfen. Mit ihrem Widerstand versetzten sie Basel jahrelang in Unruhe. Zwischen den Nonnen, der städtischen Gesellschaft und der Basler Regierung entstand im Laufe der Jahre eine Wechselbeziehung, die zu jener "Verweltlichung" beitrug, die den Frauen vorgeworfen wurde.

Tatsächlich waren sich die Nonnen über die Einhaltung der Klosterdisziplin auch selbst nicht immer einig. Als sich der Basler Dominikanerkonvent zur Reform entschloss, trennten sich die Klingentaler Frauen vom Predigerkloster und unterstellten sich 1431 dem Bischof von Konstanz. Doch die Prediger gaben keine Ruhe und erreichten 1477 beim Papst, dass dieser die Reform des Klosters Klingental anordnete.

Kloster Klingental Kreuzgang nach E. Büchel
Abb. 2: Sehen so disziplinlose Klosterfrauen aus? Im Angesicht des dreifaltigen Gottes und unter Gesang der himmlischen Heerscharen zerren Dämonen der Hölle an der Waagschale der Sünden. Nach dieser Vorstellung liessen sich zwei Klingentaler Klosterfrauen 1517 malen. Aquarell nach Emanuel Büchel 1768 zu einem Wandbild im Klingentaler Kreuzgang (© Kunstmuseum Basel).

Mit Schwert und Spiess gegen die Reform

Gleichgesinnte fanden die Prediger beim Leonhardsstift und bei einzelnen Ratsherren. Am 8. Januar 1480 verpflichteten sich diese Bündnispartner, die Reform im Klingental durchzusetzen und die Kosten dafür zu tragen. Als ein Notar die päpstlichen Anordnungen vor den versammelten Frauen verlas, unterbrachen diese ihn mit liturgischen Gesängen, rezitierten Verse und liefen polternd durch das Refektorium. Sie machten derart lauten Krach, dass die Reformanweisungen unverständlich blieben. Später hiess es, die Frauen hätten gar zu Schwert und Spiess gegriffen, sich mit Prügeln gewehrt und mit Brandlegung gedroht.

Damit begann ein Jahre dauernder Streit, der den Papst, den Erzherzog Sigmund von Österreich und zuletzt die ganze Eidgenossenschaft beschäftigte. Die Angelegenheit erreichte grosse politische Bedeutung. Modern gesprochen bewirkten die Klingentalerinnen eine "Staatsaffäre".

Vertreibung und Gegenwehr

Als die Reformer von den Klingentalerinnen Gehorsam und die Herausgabe von Klosterschlüsseln und Klostersiegeln forderten, verweigerten sie sich. Man sperrte sie in ihre Schlafzellen, bis sie bereit waren, einen Vertrag zu unterzeichnen, der festhielt: Frauen, die sich der Reform nicht unterwerfen, müssen ausziehen, dürfen aber ihr Vermögen mitnehmen. Nun demonstrierten die Klingentalerinnen ihren Zusammenhalt und verliessen geschlossen das Kloster. Die Prediger ersetzten sie durch Schwestern aus einem Kloster, das die Reform schon vollzogen hatte.

Derweil fochten die vertriebenen Klingentalerinnen den unter Zwang unterschriebenen Vertrag an. Als Frauen und geistliche Personen habe ihnen die Unterzeichnung gar nicht zugestanden, sodass sie sich nun auch nicht an den Vertrag gebunden sahen, argumentierten sie.

Ein genialer Schachzug war, dass sie heimlich das Konventssiegel entwendeten und damit im Namen des Klosters weiterhin Quittungen ausstellten und Zinse eintrieben. Die Frauen nutzten den Reichtum ihres Konvents und ihr weitreichendes Netzwerk. So versprachen sie Erzherzog Sigmund von Österreich nicht nur ihre Fürbitte, sondern auch 8'000 Gulden, falls er die Widerrufung der päpstlichen Anordnung bewirken könne. Sigmund liess sich darauf ein, worauf sich das Blatt wendete.

Ein stiller Sieg

Am 8. Oktober 1483 unterzeichneten die Gesandten von Erzherzog Sigmund und die Vertreter der Eidgenossen – also die beiden massgeblichen politischen Akteure – die Beilegung des Streits. Die Prediger wurden verpflichtet, den Klosterfrauen sämtliche Güter und Zinsen zurückzuerstatten und für die entstandenen Kosten 11'500 Gulden zu zahlen, damals eine exorbitante Summe. Im Wortlaut der Urkunde kommen die Klosterfrauen nur als Objekt der Verhandlung vor, nicht als Sprecherinnen. Dessen ungeachtet hängt an letzter Stelle der langen Siegelreihe auch das Klingentaler Konventssiegel. Klingental wurde unter päpstliche Aufsicht gestellt. Die Frauen bezeichneten sich in der Folge nicht mehr als Konvent, sondern als Kapitel und präsentierten sich damit als Stiftsdamen, deren Gelübde Weltoffenheit nicht ausschloss.

Urkunde Klingental 2400
Abb. 3: Die Klingentaler Urkunde von 1483 mit den Siegeln der Vertragspartner. Am rechten Ende hängt das Klingentaler Konventssiegel (© Staatsarchiv Basel-Stadt).

Mächtig aber nicht selbstbestimmt

Mit dem Vertrag von 1483 hatten die Klingentalerinnen gesiegt. Die Uneinigkeit der städtischen Obrigkeit war eine optimale Ausgangslage für die Frauen. Sie verteidigten ihre selbstbestimmte Lebensführung, ihre eigene Disziplin. Im Verlauf der Auseinandersetzungen hatten sie alle Register der Macht gezogen: Sie klagten und protestierten, ignorierten Anweisungen, paktierten und bestachen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln.

Trotzdem war ihre Handlungsmacht begrenzt, denn sie blieben auf die Unterstützung mächtiger Männer angewiesen. In dieser Hinsicht waren die Klosterfrauen von Klingental gleichzeitig mächtig und beherrscht.

 

Die Autorinnen danken Kira Schall für die Mitarbeit an diesem Beitrag. Der Beitrag entstand im Rahmen des Seminars "Der Preis Gottes. Frauenklöster zwischen Jenseitsvorstellungen, Herrschaftspraktiken und Güterflüssen im spätmittelalterlichen Basel" von Claudia Moddelmog am Departement Geschichte der Universität Basel. Claudia Moddelmog ist Mitautorin von Band 3 der neuen Basler Stadtgeschichte.

Abb. 4: Das Klingentaler Konventssiegel in der Urkunde von 1483. Die umlaufende Gravur wurde der neuen Ordenszugehörigkeit entsprechend angepasst (© Staatsarchiv Basel-Stadt).

Quellen

Weis-Müller, R.: Die Reform des Klosters Klingental und ihr Personenkreis (Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft 59), Basel 1956.

Burckhardt, C. & Riggenbach, C.: Die Klosterkirche Klingental in Basel (Mittheilungen der Gesellschaft für vaterländische Alterthümer in Basel 8), Basel 1860.

Ein gut lesbarer Abriss zur Klostergeschichte mit Schwerpunkt auf den Reformvorgängen ist online einzusehen [08.03.2021].

Abb. 1: Kunstmuseum Basel - Übergeben von der Öffentlichen Bibliothek der Universität Basel, Inv. 1886.9a.65.

Abb. 2: Ausschnitt Merian-Plan, URL: www.merian.bs.ch [07.01.2020].

Abb. 3: Staatsarchiv Basel-Stadt, Urkunde Nr. 2400.

Abb. 4: Staatsarchiv Basel-Stadt, Urkunde Nr. 576 [Detail].

 

Autorinnen

Luzia Knobel studiert Geschichte, Kulturanthropologie und Gender Studies an der Universität Basel. Sie arbeitet vor allem zu Themen der Geschlechtergeschichte.

 

Luana Seitzinger-Pergher arbeitet als Lehrerin und studiert Geschichte und Französistik an der Universität Basel. Sie beschäftigt sich insbesondere mit Fragen der Wissensvermittlung.

50 Jahre Frauenstimmrecht

Das Stickeralbum "Starke Frauen in der Basler Geschichte"
Das Stickeralbum "Starke Frauen in der Basler Geschichte".

Am 7. Februar 1971 erhielten die Schweizer Frauen das Stimmrecht auf nationaler Ebene. Zum Jubiläum veröffentlicht Stadt.Geschichte.Basel die Beitragsreihe "Starke Frauen in der Basler Geschichte". Wir berichten von Frauen, die wahrscheinlich wenige kennen, die aber ihre Spuren in der Stadtgeschichte hinterlassen haben: in Archiven, in Bibliotheken, auf Bildern, in Erzählungen, mit ihren Werken und ihrem Wirken, von der Antike bis in die Gegenwart. Weitere Porträts gibt es im gleichnamigen Stickeralbum, das Stadt.Geschichte.Basel zusammen mit dem Staatsarchiv Basel-Stadt veröffentlicht hat.