Eine neue Brücke für eine neue Stadt

Text: Daniel Hagmann

1899 legte der Architekt Friedrich Keck einen Entwurf zur Neugestaltung der Mittleren Rheinbrücke vor: Eine doppelte Brücke, in deren Mitte eine Markt- und Volkshalle läge. Das aus heutiger Sicht spektakuläre "Rhein-Brücken-Project" war für Keck weit mehr als eine technische Studie; es war Teil seiner städtebaulichen Vision für eine moderne Gesellschaft.

Ein radikaler Umbau

Einen kecken Plan entwarf er da, Architekt Friedrich Keck, kurz vor der Jahrhundertwende. Anstelle eines Neubaus der alten Rheinbrücke schlug er vor, an derselben Stelle eine doppelte Brücke zu errichten. Auf und zwischen den beiden Brücken läge eine Markt- und Volkshalle, nutzbar für Wochenmärkte, Konzerte, Maskenbälle und anderem mehr. Die Zeichnungen, die Keck beilegte, zeigen ein Projekt, das sowohl durch seine Grösse als auch seine Leichtigkeit besticht – und noch heute kann man sich fragen, ob Basel da nicht eine Chance verpasst hat. Doch die Markthalle war in Kecks städtebaulicher Vision nur eine willkommene Nebennutzung. Im Grunde genommen ging es ihm um einen radikalen Umbau der Innerstadt. Das zeigen die schriftlichen Erläuterungen zum Projekt, die zusammen mit dem Plan im Staatsarchiv überliefert sind.

Weg mit der Altstadt

Die neue Lage der Brücke hätte nämlich weitreichende Folgen gehabt. Beim Grossbasler Brückenkopf wären die Baulinien im Bereich zwischen Eisengasse-Fischmarkt-Schifflände grossflächig gestrafft worden. Auf der Kleinbasler Seite wollte Keck noch mehr – den Abriss des gesamten Quartiers zwischen unterer Rheingasse, Webergasse, Ochsengasse und Klingental. Die mittelalterliche, verwinkelte Altstadtstruktur sollte vollumfänglich neuen Blockbebauungen weichen. Originalton Keck: "Es verschwinden im Kleinbasel durch die Korrektion auch eine Anzahl Gässchen und minderwertiger Bauten, deren Entfernung ja schon längst aus hygienischen Gründen wünschenswert ist". Sein Brückenprojekt ermögliche eine Stadtsanierung, die für alle rentieren würde, versprach Keck. Es läge im Interesse der Eigentümer, ihre "alten minderwertigen Häuser" der Rentabilität wegen abzubrechen und neue Gebäude zu erstellen. Diese würden "der Gegend zum Vorteil reichen".

Städtebau im Zeichen des Verkehrs

Nun war Friedrich Keck ja kein Immobilienmakler, sondern interessiert an einer städtebaulichen Innovation. Er versprach sich von seiner Idee eine einfache und konsequente Lösung für das eigentliche Problem: Die alte Rheinbrücke war baufällig geworden und den Anforderungen des aufkommenden Verkehrs nicht mehr gewachsen. Genausowenig wie die historische Baustruktur der Altstadt. Zwar bestanden am Ende des 19. Jahrhunderts mit der Johanniter- und der Wettsteinbrücke bereits zwei Entlastungsbrücken. Doch noch immer diente die Achse Marktplatz-Rheinbrücke-Claraplatz als zentrale Passage. Immer mehr Fahrzeuge, Fuhrwerke und neu auch Trams quetschten sich durch die schmalen Strassen der Altstadt. 

Visionen in Basels Baugeschichte

Einen derart radikalen Umbau der (Kleinbasler) Altstadt vertrat in den folgenden Jahrzehnten niemand mehr. Doch die Kecksche Vision war mit ihrem Grundanliegen Teil einer langen Debatte, die bis tief ins 20. Jahrhundert dauerte. Und manche Visionen waren durchaus noch kecker. Zum Beispiel der Gesamtverkehrsplan von 1958, der vorschlug, den gesamten Tramverkehr in der Innerstadt unter das Strassenniveau zu verlegen. Oder der in den 1930er-Jahren entworfene – und erst 1974 definitiv verworfene – Plan, durch die Schneidergasse und das Gerbergässlein eine breite Talentlastungsstrasse anzulegen. Jede dieser Visionen war nicht nur eine technische Studie, sondern auch ein Entwurf für eine moderne Stadtgesellschaft. Ein frischer Blick auf Basels Baugeschichte, wie ihn die neue Stadtgeschichte vorhat, kann hier viel entdecken.

Quellen

Abb. 1 (Slider): Staatsarchiv Basel-Stadt, Planarchiv F 4,41: Rhein-Brücken-Project mit Markt- & Volkshalle für Basel.

Abb. 2 (Slider): Staatsarchiv Basel-Stadt, Planarchiv F 4,45: Rhein-Brücken-Project mit Markt- & Volkshalle für Basel [Längen-Ansicht].

Abb. 3 (Titelbild und Slider): Staatsarchiv Basel-Stadt, Planarchiv F 4,47: Rhein-Brücken-Project mit Markt- & Volkshalle für Basel [Perspektivische Ansicht].

Autor

Daniel Hagmann ist freischaffender Historiker und Leiter der Abteilung Kommunikation und Vermittlung des Staatsarchivs Basel-Stadt. Er spricht von sich selbst als «Erinnerungspfleger» mit einem breiten Interesse an Regionalgeschichte, Biografie, Erinnerung, Identität und Visual History. Er ist Mitglied des Vereins Basler Geschichte.