Die halbe Stadt gebaut - Fritz Rickenbachers architektonisches Erbe

Text: Claudio Miozzari

Sie ist ein Relikt aus einer anderen Zeit. Wenn man den Weg zwischen Wohnblocks hindurch zur Landhof-Tribüne findet, erschliesst sich einem nicht nur ein wertvoller Grünraum, sondern auch ein sporthistorisches Schmuckstück. Was soll aus der alten Heimat des FC Basel werden?

Rickenbachers Erbe

Die Diskussion um Erhalt oder Abriss der Landhof-Tribüne erinnert an jene um das Felix Platter-Spital. Auch dieses hätte einem Neubau weichen sollen, blieb aber nach Interventionen breiter Kreise als architektonisch wertvolles Zeugnis stehen. Nun wird es zu Wohnraum umgebaut. Das Felix Platter-Spital und der Landhof wurden vom gleichen Architekten verwirklicht wie zahlreiche weitere prägende Bauten in der Stadt: das abgerissene Hotel Hilton, das grosse Geschäftshaus am Claraplatz, das Storchengebäude am Fischmarkt, mehrere Gebäude in der Freien Strasse oder die Hochhäuser an der Schützenmatt-, Schoren- und Prattelerstrasse. Fritz Rickenbacher (1908–1978) hat ab den 1940er-Jahren die Stadtplanung geprägt wie kaum ein anderer. Trotzdem ist sein Name höchstens Fachpersonen ein Begriff. Wer war dieser Mann und wie war es möglich, dass er die Stadtentwicklung so umfassend beeinflussen konnte?

Fritz Rickenbacher (1908–1978) hat die Basler Stadtplanung geprägt wie kaum ein anderer. Fotografie: Staatsarchiv Basel-Stadt.
Fritz Rickenbacher (1908–1978) hat die Basler Stadtplanung geprägt wie kaum ein anderer. Fotografie: Staatsarchiv Basel-Stadt.

"Nicht als Knauserer bekannt"

Rickenbacher sass von 1948 bis 1960 für die FDP im Grossen Rat. Geht es nach seinen politischen Gegenspielern, war er "ein sehr draufgängerischer Herr, der wenn es ihm zum Vorteil gereicht, fünfe auch mal grad sein lässt". So charakterisierte ihn 1964 der Basler Vorwärts, die Zeitung der Partei der Arbeit. Der Vorwärts hielt weiter fest, dass Rickenbacher - der "staatliche Hausarchitekt" - nicht als Knauserer bekannt sei, wenn es darum gehe, sich für gute Beziehungen zu Regierungsräten erkenntlich zu zeigen.

Rickenbacher war offensichtlich ein sehr guter Netzwerker, der es verstand, politisches Engagement und Beruf zu verbinden. So setzte er sich während Jahren für eine Unterführung für Fussgänger vom Gundeli zum Bahnhofplatz ein . Als Grossrat reichte er 1948 einen entsprechenden Vorstoss ein, als langjähriger Präsident des neutralen Quartiervereins Gundeldingen organisierte er 1958 aus Protest einen innoffiziellen Spatenstich, als verantwortlicher Architekt setzte er die Unterführung letztendlich um.

Bei der Erneuerung des Gundeldinger Casinos nach dem Brand von 1944 zeigt sich ein ähnliches Muster. Erst engagierte sich Rickenbacher mit dem Quartierverein für den Erhalt des Veranstaltungsortes, und als Unterstützungsgelder aus dem Arbeitsrappen-Fonds das Vorhaben möglich machten, übernahm er den Bau.

Das FCB-Netzwerk

Eine Passion Rickenbachers war der FC Basel, für den er sich über Jahre als Platzmeister engagierte, und zu dessen Ehrenmitglied er 1953 ernannt wurde. Der FCB lancierte denn auch Rickenbachers politische Karriere. Als im Zug der Stadterweiterung in den 1940er-Jahren der Landhof überbaut werden sollte, setzte sich der Verein vehement dafür ein, seine Spielstätte zu erhalten. Der Verein empfahl in diesem Zusammenhang mehrere Mitglieder zur Wahl in den Grossen Rat. Neben Rickenbacher wurde im zweiten Anlauf Jules Düblin gewählt, der später den Grossen Rat und den FC Basel präsidierte.

Treibende Kraft für die Rettung des Landhofs war – natürlich – Rickenbacher. Dieser gründete zusammen mit dem FC Basel ein prominent besetztes Komitee und startete eine  regelrechte Kampagne. Das Resultat war ein langjähriger Baurechtsvertrag für den Verein und die Neugestaltung der Anlage mit dem Tribünenbau. Auch hier gelang Rickenbacher der Sprung vom engagierten Vereinsmitglied und Politiker zum ausführenden Architekten.

Ein Findling zwischen Wohnhäusern: Der "Ländi". Fotografie: Patrik Tschudin.
Ein Findling zwischen Wohnhäusern: Der "Ländi". Fotografie: Patrik Tschudin.

Bleibt der Ländi?

"Alles Edle und Gute ist einfacher Art" meinte Rickenbacher anlässlich der Eröffnung der Tribüne im August 1951 und zitierte damit Gottfried Keller. Was soll rund 70 Jahre später aus seinem Bau werden, der wie ein Findling zwischen den Wohnhäusern steht? "Der Ländi bleibt" ist die Losung jener, denen die Atmosphäre des Orts und die geschichtsträchtigen Ecken und Kanten der Stadt Basel etwas bedeuten.

Autor

Claudio Miozzari hat in Basel und Rom Geschichte studiert. Er ist Gründer der Miozzari + Co GmbH. Seit 2017 vertritt er die SP im Grossen Rat Basel-Stadt. Er ist Mitglied des Vereins Basler Geschichte.

Quellen

Eugen Dietschi, Fritz Rickenbacher zum Gedenken. Basler Zeitung Nr. 32, 02.02.1978.

Anonym, Wenn es wahr sein sollte, dass ... Vorwärts Nr. 32, 06.08.1964.

Abb. 1: Porträt Fritz Rickenbacher: Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1013 2-1492 1.

Abb. 2: Der Landhof: Patrik Tschudin, 2013.