Erstaunlich war die Öffnung des Münsters für den Friedenskongress 1912 tatsächlich, wenn man sich vor Augen hält, dass bereits 1869, anlässlich des Kongresses der Ersten Internationale in Basel, ein Gesuch für die Nutzung des Münsters eingegangen war. Damals jedoch war das Gesuch abschlägig behandelt worden. Was war in der Zwischenzeit geschehen?
Basel war zur grössten Industriestadt der Schweiz geworden und entsprechend akzentuierten sich die sozialen Spannungen in der Bevölkerung. Innerhalb des schweizerischen Protestantismus entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit den "religiös Sozialen" eine Bewegung, die für soziale Anliegen der Arbeiterschaft ein Sensorium entwickelte. Zu den wichtigsten Vordenkern und Exponenten dieser Richtung gehörte Leonhard Ragaz, der 1902 zum Münsterpfarrer ernannt worden war. Als das Gesuch für die Nutzung des Basler Münsters im November 1912 dem Vorstand der Münstergemeinde vorgelegt wurde, war Ragaz zwar nicht mehr in Basel. Dennoch wurde es einstimmig angenommen, "im Interesse des Friedens und des Evangeliums", wie ein Exponent dezidiert formulierte.
Mit der Öffnung des Münsters für die Arbeiterinternationale wurde ein Zeichen gesetzt für die Öffnung der Kirche, was sowohl im In- als auch im Ausland breit rezipiert wurde.