2014 gedachte man europaweit des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs. Mit meiner Familiengeschichte beschäftigt, stellte ich mir die Frage, warum mein italienischer Grossvater – der Vater meiner Mutter – damals in Basel geblieben und nicht wie zigtausend andere Männer nach Italien zurückgekehrt war. Ich fragte mich, ob er wohl ein Refraktär gewesen sei, also einer, der den Dienst in der Armee verweigert hatte. Ich fand dafür keine Belege; wahrscheinlich wurde er nicht einberufen, weil er mit Jahrgang 1868 schon relativ alt war. Zudem hatten meine Grosseltern gerade erst geheiratet und waren kurz vor Kriegsausbruch Eltern geworden.
Meine Grosseltern stammten aus Roncadello in der Provinz Cremona. Mein Grossvater war mit 25 Jahren ausgewandert und gelangte – nach fünfjährigem Aufenthalt in La Chaux-de-Fonds – gegen Ende des Jahres 1900 nach Basel. Dort erhielt er sogleich die Niederlassungsbewilligung, wie es dem Abkommen zwischen Italien und der Schweiz von 1868 entsprach. Wie aber gelang die Integration?
Im Nachgang an das Jahr 2015, als das Thema Einwanderung omnipräsent war, und Flüchtlingsdramen wie die im türkischen Badeort Bodrum angeschwemmte Leiche eines Kleinkinds die Öffentlichkeit erschütterten, las ich die beeindruckende Publikation des Ostmitteleuropa-Historikers Philipp Ther "Die Außenseiter. Flucht, Flüchtlinge und Integration im modernen Europa". Sein Modell der vier Integrationsschritte verhalf mir zum Verständnis meiner Familiengeschichte.