Zu Ehren Gottes? Die Ahndung von Blasphemie im frühneuzeitlichen Basel

Text: Rebekka Schifferle

1693 wurde der Handwerker Geörg Möringer der Gotteslästerung schuldig befunden. Der Kleine Rat verurteilte ihn zu Pranger, Zungenschlitzen und mit Androhung der Todesstrafe zu ewigem Stadt- und Landesverweis. Rund 60 Fälle von Blasphemie sind im frühneuzeitlichen Basel aktenkundig geworden. Ihre Ahndung wandelte sich im Laufe der Aufklärung jedoch grundlegend.

Um eine christliche Gesellschaft bemüht

Handwerker Hans Geörg Möringer hatte seinen Kunden Johann Brunner wegen einer ausstehenden Zahlung verflucht: wenn Brunner ihm "die schuldige 4 bz nicht bringe, so woll der Donner und Hagel Jhne, und alles wz er habe, in den Boden hinein schlagen". Dafür wurde Möringer vor den Kleinen Rat geladen und, nachdem er das Aufgebot zweimal missachtet hatte, verhaftet. Die Befragung von Nachbarn und Bekannten ergab, dass Möringer häufig fluchte. Nach Verhör und Einholung von je einem theologischen und juristischen Gutachten, verurteilte der Rat Geörg Möringer zu Pranger, Zungenschlitzen und bei Strafe des Schwerts zu ewigem Stadt- und Landesverweis; aber auch die Nachbarn kamen nicht ungeschoren davon und wurden wegen missachteter Anzeigepflicht ermahnt. Man wollte ein Exempel statuieren.

Diese Geschichte ereignete sich im Jahr 1693. Der Basler Rat war in dieser Zeit um eine christliche Gesellschaft bemüht, wie sie die reformierte Orthodoxie verlangte. Zahlreiche Regierungserlasse, sogenannte Mandate, mahnten die Bevölkerung zu entsprechendem Lebenswandel. Und da man sich nicht auf deren verständige Einsicht verlassen konnte, gab es verschiedene Gremien, welche die Bevölkerung kontrollierten.

Dies alles geschah zu Gottes Wohlgefallen: Das damalige Gottesbild war zutiefst geprägt von der Vorstellung eines strafenden und belohnenden Gottes. Blasphemie galt als schweres Vergehen, das mit dem Tod bestraft werden konnte, weil es durch Missbrauch des göttlichen Namens die Ehre Gottes direkt verletzte. Grundlage waren die Zehn Gebote und die theologisch-juristischen Konzepte des späten Mittelalters.

Mandat vom 31.10.1789
Mandat vom 31.10.1789 (© Staatsarchiv Basel-Stadt). Ein Mandat bezeichnete einen Regierungserlass, der polizeiliche Bestimmungen sowie Verordnungen für das öffentliche sittliche Leben enthielt. Das Mandat von 1789 verbindet anschaulich altes und neues Denken. Vor dem Hintergrund zeitgenössischer Krisenerfahrung kommt es zu einem Wiederaufleben der traditionellen Mandatsbegründung mit dem vergeltenden Gott. Das Mandat appelliert aber zugleich im Sinne der Aufklärung an Vernunft, Religionsgefühle oder Vaterlandsliebe.

Ein Wandel im Rahmen der Aufklärung

Rund 60 Fälle sind in der zweiten Hälfte des 17. bis Ende des 18. Jahrhunderts in der Stadt Basel aktenkundig geworden. Meist blieb es bei Ermahnungen, Geld- oder kurzen Haftstrafen.

Der eingangs erwähnte Fall Möringer steht an einem Übergang. Im 18. Jahrhundert nahmen die Fälle deutlich ab. In den Mandaten schrumpfte der Paragraph betreffend Gotteslästerung, der einst über mehrere Seiten an prominenter Stelle abgehandelt wurde, auf wenige Zeilen, rückte nach hinten oder fiel ganz weg. Die Theologen wurden kaum mehr in die Verfahren einbezogen.

Dies hatte vor allem mit dem neuen Gottes- und Menschenbild der Aufklärung zu tun: Gott war immer weniger ein in menschlichen Kategorien gedachter vergeltender Gott, der Mensch bekam mehr Eigenverantwortung, die Religion rückte ins Private – oder diente dem Schutz der gesellschaftlichen Ordnung.

Nunmehr ein öffentliches Ärgernis

Der veränderte Umgang mit der Blasphemie zeigt sich an folgender Geschichte, die sich 100 Jahre nach der Verurteilung Möringers ereignete: Als Ratsredner Abraham Ecklin im Jahr 1794 im Wirtshaus zum besten gab, "der Bättag sey nur ein Heucheltag, ein Dienst für den Teufel, unser Herr Gott sey ein Aristokrat, wenn der Sansculotte Gott komme der den Despotismus unter den Boden trete werde es eine ganz andere Welt geben", so zog dies zwar auch ein Verfahren und eine empfindliche Strafe nach sich: Ecklin wurde aller Ämter enthoben und zu fünf Jahren Zuchthaus mit anschliessendem Wirts- und Weinhäuserverbot verurteilt. Doch dem traditionellen theologischen Gewicht solcher Äusserungen wurde kaum mehr Rechnung getragen.

Die Argumentation einer göttlichen Vergeltung findet sich nicht in den Akten, die geistliche Obrigkeit wurde nicht involviert und unterliess es auch, sich einzuschalten. Reden wie jene von Ecklin waren in erster Linie ein öffentliches Ärgernis, umso mehr ihres politischen Bezuges wegen; sie zu ahnden gebot die öffentliche, gesellschaftliche Ordnung.

Für die Wahrung des öffentlichen Friedens

Der sogenannte Blasphemieartikel des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (Art. 261) wird immer wieder diskutiert, so beispielsweise Ende 2018 im Zusammenhang mit einer Resolution der Freidenker-Vereinigung Schweiz. Diese forderte die Aufhebung des Artikels, da er unzeitgemäss und gegen das Recht auf freie Meinungsäusserung sei. Heute geht es nicht mehr um Blasphemie, sondern um die Wahrung des öffentlichen Friedens in religiösen Fragen.

Quellen

Schifferle, Rebekka: Gotteslästerung vor der geistlichen und weltlichen Obrigkeit im ausgehenden 17. und im 18. Jahrhundert in der Stadt Basel, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 13 (2013), S. 147–190. Dort weitere Literatur.

Mandat vom 31.10.1789, Staatsarchiv Basel-Stadt, STA Bf 1 A 15-51.

Autorin

Rebekka Schifferle ist Historikerin mit Schwerpunkt Frühe Neuzeit und Neuere Geschichte. Seit 2009 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Namenbuch der Nordwestschweiz. Sie ist Mitglied des Vereins Basler Geschichte.